Das Ding

Wie steht es mit der Nähe? Wie können wir ihr Wesen erfahren? Nähe läßt sich, so scheint es, nicht unmittelbar vorfinden. Dies gelingt eher so, daß wir dem nachgehen, was in der Nähe ist. In der Nähe ist uns solches, was wir Dinge zu nennen pflegen. Doch was ist ein Ding? Wie lange schon hat der Mensch die Dinge betrachtet und befragt, wie vielfältig hat er sie benutzt und wohl auch vernutzt. Wie eindringlich hat er aus solchen Absichten die Dinge auch erklärt, d. h. auf ihre Ursachen zurückgeführt? Der Mensch verfährt so mit den Dingen seit langem und verfährt so noch immer, ohne doch hierbei jemals das Ding als Ding zu bedenken.

Der Mensch hat bisher das Ding als Ding so wenig bedacht wie die Nähe. Ein Ding ist der Krug. Was ist der Krug? Wir sagen: ein Gefäß; solches, was anderes in sich faßt. Das Fassende am Krug sind Boden und Wand. Dieses Fassende ist selbst wieder faßbar am Henkel. Als Gefäß ist der Krug etwas, das in sich steht. Das Insichstehen kennzeichnet den Krug als etwas Selbstständiges. Als der Selbststand eines Selbstständigen unterscheidet sich der Krug von einem Gegenstand. Ein Selbstständiges kann Gegenstand werden, wenn wir es vor uns stellen, sei es im unmittelbaren Wahrnehmen, sei es in der erinnernden Vergegenwärtigung. Das Dinghafte des Dinges beruht jedoch weder darin, daß ein Ding zum Gegenstand eines Vorstellens wird, noch läßt sich überhaupt das Dinghafte eines Dinges von der Gegenständlichkeit des Gegenstandes aus bestimmen, auch dann nicht, wenn wir das Gegenstehen des Gegenstandes nicht bloß auf die Rechnung unseres Vorstellens nehmen, sondern das Gegenstehen dem Gegenstand selber überlassen als seine Sache.

Der Krug bleibt Gefäß, ob wir ihn vorstellen oder nicht. Als Gefäß steht der Krug in sich. Doch was heißt das, das hassende stehe in sich? Bestimmt das Insichstehen des (Jefäßes den Krug schon als ein Ding? Der Krug steht als Gefäß doch nur , insofern er zu einem Stehen gebracht wurde. Dies geschah freilieh, und es’geschieht durch ein Stellen, nämlich durch das I lerstellen. Der Töpfer verfertigt den irdenen Krug aus der eigens dafür ausgewählten und zubereiteten Erde. Aus ihr besteht der Krug. Durch das, woraus er besteht, kann er auch auf der Erde stehen, sei es unmittelbar, sei es mittelbar durch Tisch und Bank. Was durch solches Herstellen besteht, ist das Insichstehende. Nehmen wir den Krug als hergestelltes Gefäß, dann fassen wir ihn doch, so scheint es, als ein Ding und keinesfalls als bloßen Gegenstand.

Oder nehmen wir auch jetzt den Krug immer noch als einen Gegenstand? Allerdings. Zwar gilt er nicht mehr nur als Gegenstand des bloßen Vorstellens, dafür aber ist er Gegenstand, den ein Herstellen zu und her, uns gegenüber und entgegen stellt. Das Insichstehen schien den Krug als Ding zu kennzeichnen. In Wahrheit denken wir jedoch das Insichstehen vom Herstellen aus. Das Insichstehen ist das, worauf das Herstellen es absieht. Das Insichstehen ist so noch und ist trotz allem immer noch von der Gegenständlichkeit her gedacht, wenngleich das Gegenstehen des Hergestellten nicht mehr im bloßen Vorstellen gründet. Doch von der Gegenständlichkeit des Gegenstandes und des Selbststandes führt kein Weg zum Dinghaften des Dinges.

Was ist das Dingliche am Ding? Was ist das Ding an sich? Wir gelangen erst dann zum Ding an sich, wenn unser Denken zuvor erst einmal das Ding als Ding erlangt hat.

Der Krug ist ein Ding als Gefäß. Zwar bedarf dieses Küssende einer Herstellung. Aber die Hergestelltheit durch den Töpfer macht keineswegs dasjenige aus, was dem Krug eignet, insofern er als Krug ist. Der Krug ist nicht Gefäß, weil er liergest.ellt wurde, sondern der Krug mußte hergestellt werden, weil er dieses Gefäß ist.

Die Herstellung läßt freilich den Krug in sein Eigenes eingehen. Allein, dieses Eigene des Krugwesens wird niemals durch die Herstellung verfertigt. Losgelöst aus der Verfertigung hat der Krug sich darein versammelt, zu fassen. Beim Vorgang des Herstellens muß der Krug allerdings zuvor sein Aussehen für den Hersteller zeigen. Aber dieses Sichzeigende, das Aussehen (das είδος, die ιδέα), kennzeichnet den Krug lediglich nach der Hinsicht, in der das Gefäß als Herzustellendes dem Herstellen entgegensteht.

Was jedoch das so aussehende Gefäß als Krug, was und wie der Krug als dieses Krugding ist, läßt sich durch die Hinsicht auf das Aussehen, die ιδέα, niemals erfahren, geschweige denn sachgemäß denken. Darum hat Plato, der die Anwesenheit des Anwesenden vom Aussehen her vorstellt, das Wesen des Dinges so wenig gedacht wie Aristoteles und alle nachkommenden Denker. Plato hat vielmehr, und zwar maßgebend für die Folgezeit, alles Anwesende als Gegenstand des Herstellers erfahren; wir sagen statt Gegenstand genauer: Herstand. Im vollen Wesen des Her-Standes waltet ein zwiefaches Her-Stehen; einmal das Her-Stehen im Sinne des Herstammens aus …, sei dies ein Sichhervorbringen oder ein Hergestelltwerden; zum andern das Her-Stehen im Sinne des Hereinstehens des Hervorgebrachten in die Unverborgenheit des schon Anwesenden.

Alles Vorstellen des Anwesenden im Sinne des Herständigen und des Gegenständigen gelangt jedoch nie zum Ding als Ding. Das Dinghafte des Kruges beruht darin, daß er als Gefäß ist. Wir gewahren das Fassende des Gefäßes, wenn wir den Krug füllen. Boden und Wandung des Kruges übernehmen offenbar das Fassen. Doch gemach! Gießen wir, wenn wir den Krug mit Wein füllen, den Wein in die Wandung und in den Boden? Wir gießen den Wein höchstens zwischen die Wandung auf den Boden. Wandung und Boden sind wohl das Undurchlässige am Gefäß. Allein, das Undurchlässige ist noch nicht das Fassende. Wenn wir den Krug vollgießen, fließt der Guß beim Füllen in den leeren Krug. Die Leere ist das Fassende des Gefäßes. Die Leere, dieses Nichts am Krug, ist das, was der Krug als das fassende Gefäß ist.

Allein, der Krug besteht doch aus Wand und Boden. Durch das, woraus der Krug besteht, steht er. Was wäre ein Krug, der nicht stünde? Zum mindesten ein mißratener Krug; also immer noch Krug, nämlich ein solcher, der zwar faßte, jedoch als ständig umfallender das Gefäß auslaufen ließe. Doch auslaufen kann nur ein Gefäß.

Wand und Boden, woraus der Krug besteht und wodurch er steht, sind nicht das eigentlich Fassende. Wenn dies aber in der Leere des Kruges beruht, dann verfertigt der Töpfer, der auf der Drehscheibe Wand und Boden bildet, nicht eigentlich den Krug. Er gestaltet nur den Ton. Nein — er gestaltet die Leere. Für sie, in sie und aus ihr bildet er den Ton ins Gebild. Der Töpfer faßt zuerst und stets das Unfaßliche der Leere und stellt sie als das Fassende in die Gestalt des Gefäßes her. Die Leere des Kruges bestimmt jeden Griff des Herstellens. Das Dinghafte des Gefäßes beruht keineswegs im Stoff, daraus es besteht, son dern in der Leere, die faßt.

Allein, ist der Krug wirklich leer?

Die physikalische Wissenschaft versichert uns, der Krug sei mit Luft angefüllt und mit alldem, was das Gemisch der I ,uft ausmacht. Wir ließen uns durch eine halbpoetische Betrachtungsweise täuschen, als wir uns auf die Leere des Kruges beriefen.

Sobald wir uns jedoch herbeilassen, den wirklichen Krug wissenschaftlich auf seine Wirklichkeit hin zu untersuchen, zeigt sich ein anderer Sachverhalt. Wenn wir den Wein in den Krug gießen, wird lediglich die Luft, die den Krug schon füllt, verdrängt und durch eine Flüssigkeit ersetzt. Den Krug lullen, heißt, wissenschaftlich gesehen, eine Füllung gegen eine andere auswechseln.

Diese Angaben der Physik sind richtig. Die Wissenschaft stellt durch sie etwas Wirkliches vor, wonach sie sich objektiv richtet. Aber — ist dieses Wirkliche der Krug? Nein. Die Wissenschaft trifft immer nur auf das, was ihre Art des Vorstellens im vorhinein als den für sie möglichen Gegenstand zugelassen hat.

Man sagt, das Wissen der Wissenschaft sei zwingend. Gewiß. Doch worin besteht ihr Zwingendes? Für unseren Fall in dem Zwang, den mit Wein gefüllten Krug preiszugeben und an seine Stelle einen Hohlraum zu setzen, in dem sich Flüssigkeit ausbreitet. Die Wissenschaft macht das Krug-Ding zu etwas Nichtigem, insofern sie Dinge nicht als das Maßgebende zuläßt.

Das in seinem Bezirk, dem der Gegenstände, zwingende Wissen der Wissenschaft hat die Dinge als Dinge schon vernichtet, längst bevor die Atombombe explodierte. Deren Explosion ist nur die gröbste aller groben Bestätigungen der langher schon geschehenen Vernichtung des Dinges: dessen, daß das Ding als Ding nichtig bleibt. Die Vernichtung ist deshalb so unheimlich, weil sie eine zwiefache Verblendung vor sich her trägt. Einmal die Meinung, daß die Wissenschaft allem übrigen Erfahren voraus das Wirkliche in seiner Wirklichkeit treffe. Zum andern den Anschein, als ob, unbeschadet der wissenschaftlichen Erforschung des Wirklichen, die Dinge gleichwohl Dinge sein könnten, was voraussetzt, daß sie überhaupt je schon wesende Dinge waren. Hätten aber die Dinge sich je schon als Dinge gezeigt, dann wäre die Dingheit des Dinges offenbar geworden. Sie hätte das Denken in den Anspruch genommen. In Wahrheit bleibt jedoch das Ding als Ding verwehrt, nichtig und in solchem Sinne vernichtet. Dies geschah und geschieht so wesentlich, daß die Dinge nicht nur nicht mehr als Dinge zugelassen sind, sondern daß die Dinge überhaupt noch nie als Dinge zu erscheinen vermochten.

Worauf beruht das Nichterscheinen des Dinges als Ding? Hat lediglich der Mensch es versäumt, das Ding als Ding vorzustellen? Der Mensch kann nur das versäumen, was ihm bereits zugewiesen ist. Vorstellen kann der Mensch, gleichviel in welcher Weise, nur solches, was erst zuvor von sich her sich gelichtet und in seinem dabei mitgebrachten Licht sich ihm gezeigt hat.

Was ist nun aber das Ding als Ding, daß sein Wesen noch nie zu erscheinen vermochte?

Kam das Ding noch nie genug in die Nähe, so daß der Mensch noch nicht hinreichend auf das Ding als Ding achtem lernte? Was ist Nähe? Dies frugen wir schon. Wir betrugen, nm es zul erfahren, den Krug in der Nähe.

Worin beruht das Krughafte des Kruges? Wir ha hem (\s plötzlich aus dem Blick verloren und zwar in dem Augenblick, da sich der Anschein vordrängte, die Wissenschaft könne uns über die Wirklichkeit des wirklichen Kruges einen Aufschluß geben.

Wir stellten das Wirkende des Gefäßes, sein Fassendes, die Leere, als einen mit Luft gefüllten Hohlraum vor. Das ist die Leere wirklich, physikalisch gedacht; aber es ist nicht die Leere des Kruges. Wir ließen die Leere des Kruges nicht seine Leere sein. Wir achteten dessen nicht, was am Gefäß das Fassende ist. Wir bedachten nicht, wie das Fassen selber west. Darum mußte uns auch das entgehen, was der Krug faßt. Der Wein wurde für das wissenschaftliche Vorstellen zur bloßen Flüssigkeit, zu einem allgemein möglichen Aggregatzustand der Stoffe. Wir unterließen es, dem nachzudenken, was der Krug faßt und wie er faßt.

Wie faßt die Leere des Kruges? Sie faßt, indem sie, was eingegossen wird, nimmt. Sie faßt, indem sie das Aufgenommene behält. Die Leere faßt in zwiefacher Weise: nehmend und behaltend. Das Wort »fassen« ist darum zweideutig. Das Nehmen von Einguß und das Einbehalten des Gusses gehören jedoch zusammen. Ihre Einheit aber wird vom Ausgießen her bestimmt, worauf der Krug als Krug abgestimmt ist. Das zwiefache Fassen der Leere beruht so im Ausgießen. Als dieses ist das Fassen eigentlich, wie es ist. Ausgießen aus dem Krug ist. Schenken. Im Schenken des Gusses west das Fassen des Gefäßes. Das Fassen bedarf der Leere als des Fassenden. Das Wesen der fassenden Leere ist in das Schenken versammelt. Schenken aber ist reicher als das bloße Ausschenken. Das Schenken, worin der Krug Krug ist, versammelt in sich das zwiefache fassen und zwar in das Ausgießen. Wir nennen die Versammlung der Berge das Gebirge. Wir nennen die Versammlung des zwiefachen Fassens in das Ausgießen, die als Zusammen erst das volle Wesen des Schenkens ausmacht: das Geschenk. Das Krughafte des Kruges west im Geschenk des Gusses. Auch der leere Krug behält sein Wesen aus dem Geschenk, wenngleich ein leerer Krug ein Ausschenken nicht zuläßt. Aber dieses Nichtzulassen eignet dem Krug und nur dem Krug. Eine Sense dagegen oder ein Hammer sind unvermögend zu einem Nichtzulassen dieses Schenkens.

Das Geschenk des Gusses kann ein Trunk sein. Es gibt Wasser, es gibt Wein zu trinken.1

Im Wasser des Geschenkes weilt die Quelle. In der Quelle weilt das Gestein und aller dunkle Schlummer der Erde, die Regen und Tau des Himmels empfängt. Im Wasser der Quelle weilt die Hochzeit von Himmel und Erde. Sie weilt im Wein, den die Frucht der Rebe gibt, die das Nährende der Erde und die Sonne des Himmels einander zugetraut hat. Im Geschenk von Wasser, im Geschenk von Wein weilen jeweils Himmel und Erde. Das Geschenk des Gusses aber ist das Krughafte des Kruges. Im Wesen des Kruges weilen Erde und Himmel.

Das Geschenk des Gusses ist der Trunk für die Sterblichen. Er labt ihren Durst. Er erquickt ihre Muße. Er erheitert ihre Geselligkeit. Aber das Geschenk des Kruges wird bisweilen auch zur Weihe geschenkt. Ist der Guß zur Weihe, dann stillt er nicht einen Durst. Er stillt die Feier des Festes ins Hohe. .letzt wird das Geschenk des Gusses weder in einer Schenkt geschenkt, noch ist das Geschenk ein Trunk für die Sterblichen. 1 )er (iuß ist der den unsterblichen Göttern gespendete Trank. Das (loschen k des Gusses als Trank ist das eigentliche Geschenk. Im Schenken des geweihten Trankes west der gießende Krug als das schenkende Geschenk. Der geweihte Trank ist das, was das Wort »Guß« eigentlich nennt: Spende und Opfer. »Guß«, »gießen« lautet griechisch: indogermanisch: ghu. Das bedeutet: opfern.

Gießen ist, wo es wesentlich vollbracht, zureichend gedacht und echt gesagt wird: spenden, opfern und deshalb schenken. Darum allein kann das Gießen, sobald sein Wesen verkümmert, zum bloßen Ein- und Ausschenken werden, bis es schließlich im gewöhnlichen Ausschank verwest. Gießen ist nicht das bloße Ein- und Ausschütten.

Im Geschenk des Gusses, der ein Trunk ist, weilen nach ihrer Weise die Sterblichen. Im Geschenk des Gusses, der ein Trank ist, weilen nach ihrer Weise die Göttlichen, die das Geschenk des Schenkens als das Geschenk der Spende zurückempfangen. Im Geschenk des Gusses weilen je verschieden die Sterblichen und die Göttlichen. Im Geschenk des Gusses weilen Erde und Himmel. Im Geschenk des Gusses weilen zumal Erde und Himmel, die Göttlichen und die Sterblichen. Diese Vier gehören, von sich her einig, zusammen. Sie sind, allen Anwesenden zuvorkommend, in ein einziges Geviert eingefaltet.

Im Geschenk des Gusses weilt die Einfalt der Vier.

Das Geschenk des Gusses ist Geschenk, insofern es Erde und Himmel, die Göttlichen und die Sterblichen verweilt. Doch Verweilen ist jetzt nicht mehr das bloße Beharren eines Vorbau denen. Verweilen ereignet. Es bringt die Vier in das Lichte ihres Eigenen. Aus dessen Einfalt sind sie einander zugetraut. In diesem Zueinander einig sind sie unverborgen. Das Geschenk des Gusses verweilt die Einfalt des Gevierts der Vier. Im Geschenk aber west der Krug als Krug. Das Geschenk versammelt, was zum Schenken gehört: das zwiefache Fassen, das Fassende, die Leere und das Ausgießen als Spenden. Das im Geschenk Versammelte sammelt sich selbst darin, das Geviert ereignend zu verweilen. Dieses vielfältig einfache Versammeln ist das Wesende des Kruges. Unsere Sprache nennt, was Versammlung ist, in einem alten Wort. Dies lautet: thing. Das Wesen des Kruges ist als die reine schenkende Versammlung des einfältigen Gevierts in eine Weile. Der Krug west als Ding. Der Krug ist der Krug als ein Ding. Wie aber west das Ding? Das Ding dingt. Das Dingen versammelt. Es sammelt, das Geviert ereignend, dessen Weile in ein je Weiliges: in dieses, in jenes Ding.

Wir geben dem so erfahrenen und gedachten Wesen des Kruges den Namen Ding. Wir denken diesen Namen aus der Sache des Dinges, aus dem Dingen als dem versammelnd-ereignen- den Verweilen des Gevierts. Wir erinnern jedoch dabei zugleich an das althochdeutsche Wort thing. Dieser sprachgeschichtliche Hinweis verführt leicht dazu, die Art, wie wir jetzt das Wesen des Dinges denken, mißzuverstehen. Es könnte so aussehen, als werde das jetzt gemeinte Wesen des Dinges aus der zufällig aufgegriffenen Wortbedeutung des althochdeutschen Namens thing gleichsam herausgedröselt. Der Verdacht regt sich, die jetzt versuchte Erfahrung des Wesens des Dinges sei auf die Willkür einer etymologischen Spielerei gegründet. Die Meinung verfestigt sich und wird schon landläufig, hier werde, statt die Sache zu bedenken, lediglich das Wörterbuch benützt.

Doch das Gegenteil solcher Befürchtungen ist der Fall. Wohl bedeutet das althochdeutsche Wort thing die Versammlung und zwar die Versammlung zur Verhandlung einer in Rede stehenden Angelegenheit, eines Streitfalles. Demzufolge werden die alten deutschen Wörter thing und dinc zu den Namen für Angelegenheit; sie nennen jegliches, was den Menschen in irgendeiner Weise angeht, was demgemäß in Rede steht. Das in Rede Stehende nennen die Römer res; ρέειν, ρήμα heißt griechisch: über etwas reden, darüber verhandeln; res publica heißt nicht: der Staat, sondern das, was jeden im Volk offenkundig angeht und darum öffentlich verhandelt wird.

Nur deshalb, weil res das Angehende bedeutet, kann es zu den Wortverbindungen res adversae, res secundae kommen; jenes ist das, was den Menschen in widriger Weise angeht; dieses, was den Menschen günstig begleitet. Die Wörterbücher jedoch übersetzen res adversae mit Unglück, res secundae mit Glück; von dem, was die Wörter, als gedachte gesprochen, sagen, sagen die Wörterbücher nichts. In Wahrheit steht es darum hier und in den übrigen Fällen nicht so, daß unser Denken von der Etymologie lebt, sondern daß die Etymologie samt den Wörterbüchern noch zu wenig denkt.

Das römische Wort res nennt das, was den Menschen angeht, die Angelegenheit, den Streitfall, den Fall. Dafür gebrauchen die Römer auch das Wort causa. Das heißt eigentlich und zuerst keineswegs »Ursache«; causa meint den Fall und deshalb auch solches, was der Fall ist, daß sich etwas begibt und fällig wird. Nur weil causa, fast gleichbedeutend mit res, den Fall bedeutet, kann in der Folge das Wort causa zur Bedeutung von Ursache gelangen, im Sinne der Kausalität einer Wirkung. Das altdeutsche Wort thing und dinc ist mit seiner Bedeutung von Versammlung, nämlich zur Verhandlung einer Angelegenheit, wie kein anderes dazu geeignet, das römische Wort res,2 das Angehende, sachgemäß zu übersetzen. Aus demjenigen Wort der römischen Sprache aber, das innerhalb ihrer dem Wort resb entspricht, aus dem Wort causa in der Bedeutung von Fall und Angelegenheit, wird das romanische la cosa und das französische la chose; wir sagen: das Ding. Im Englischen hat thing noch die erfüllte Nennkraft des römischen Worte res bewahrt: he knows his things, er versteht sich auf seine »Sachen«, auf das, was ihn angeht; he knows how to handle things, er weiß, wie man mit Sachen umgehen muß, d. h. mit dem, worum es sich von Fall zu Fall handelt; that’s a great thing: das ist ei ne große (feine, gewaltige, herrliche) Sache, d. h. ein aus sich kommendes den Menschen Angehendes.

Allein, das Entscheidende ist nun keineswegs die hier kurz erwähnte Bedeutungsgeschichte der Wörter: von res, Ding, causa, cosa und chose, thing, sondern etwas ganz anderes und bisher überhaupt noch nicht Bedachtes. Das römische Wort res nennt das, was den Menschen in irgendeiner Weise angeht. Das Angehende ist das reale der res. Die realitas der res wird römisch erfahren als der Angang. Aber: die Römer haben ihr so Erfahrenes niemals eigens in seinem Wesen gedacht. Vielmehr wird die römische realitas der res aus der Übernahme der spätgriechischen Philosophie im Sinne des griechischen ὄν vorgestellt; ὄν, lateinisch ens, bedeutet das Anwesende im Sinne des Herstandes. Die res wird zum ens, zum Anwesenden im Sinne des Her- und Vorgestellten. Die eigentümliche realitas der ursprünglich römisch erfahrenen res, der Angang, bleibt als Wesen des Anwesenden verschüttet. Umgekehrt dient der Name res in der Folgezeit, insbesondere im Mittelalter, zur Bezeichnung jedes ens qua ens, d. h. jedes irgendwie Anwesenden, auch wenn es nur im Vorstellen hersteht und anwest wie das ens rationis. Das Gleiche wie mit dem Wort res geschieht mit dem der res entsprechenden Namen dinc; denn dinc heißt jegliches, was irgendwie ist. Demgemäß gebraucht der Meister Eckhart das Wort dinc sowohl für Gott als auch für die Seele. Gott ist ihm das »hoehste und oberste dinc«.3 Die Seele ist ein »gröz dinc«.4 Damit will dieser Meister des Denkens keineswegs sagen, Gott und die Seele seien dergleichen wie ein Felsblock, ein stofflicher Gegenstand; dinc ist hier der vorsichtige und enthaltsame Name für etwas, das überhaupt ist. So sagt der Meister Eckhart nach einem Wort des Dionysius Areopagita [Hg.: vermutlich Augustinus gemeint]: die minne ist der natur, daz si den menschen wandelt in die dink, die er minnet.5

Weil das Wort Ding im Sprachgebrauch der abendländischen Metaphysik das nennt, was überhaupt und irgendwie et was ist, deshalb ändert sich die Bedeutung des Namens »1 )ing« entsprechend der Auslegung dessen, was ist, d. h. des Seienden. Kant spricht in der gleichen Weise wie der Meister Eckhart von den Dingen und meint mit diesem Namen etwas, das ist. Aber für Kant wird das, was ist, zum Gegenstand des Vorstellens, das im Selbstbewußtsein des menschlichen Ich abläuft. Das Ding an sich bedeutet für Kant: der Gegenstand an sich. Der Charakter des »Ansich« besagt für Kant, daß der Gegenstand an sich Gegenstand ist ohne die Beziehung auf das menschliche Vorstellen, d. h. ohne das »Gegen«, wodurch er für dieses Vorstellen allererst steht. »Ding an sich« bedeutet, streng kantisch gedacht, einen Gegenstand, der keiner ist, weil er stehen soll ohne ein mögliches Gegen- für das menschliche Vorstellen, das ihm entgegnet.

Weder die längst vernutzte allgemeine Bedeutung des in der Philosophie gebrauchten Namens »Ding«, noch die althochdeutsche Bedeutung des Wortes »thing« helfen uns aber das Geringste in der Notlage, das sachliche Wesen dessen zu erfahren und hinreichend zu denken, was wir jetzt vom Wesen des Kruges sagen. Wohl dagegen trifft zu, daß ein Bedeutungsmoment aus dem alten Sprachgebrauch des Wortes thing, näm lieh »versammeln«, auf das zuvor gedachte Wesen des Kruges anspricht.

Der Krug ist ein Ding, weder im Sinne der römisch gemeinten res, noch im Sinne des mittelalterlich vorgestellten (ms, noch gar im Sinne des neuzeitlich vorgestellten Gegenstandes. Der Krug ist ein Ding nicht als Gegenstand, sei dieser ein solcher des Herstellens oder des bloßen Vorstellens. Der Krug ist Ding, insofern er dingt. Aus dem Dingen des Dinges ereignet sich und bestimmt sich auch erst das Anwesen des Anwesenden von der Art des Kruges.

Heute ist alles Anwesende gleich nah und gleich lern. Das Abstandlose herrscht. Alles Verkürzen und Beseligen der Entfernungen bringt jedoch keine Nähe. Was ist die Nähe? Um das Wesen der Nähe zu finden, bedachten wir den Krug in der Nähe. Wir suchten das Wesen der Nähe und fanden das Wesen des Kruges als Ding. Aber in diesem Fund gewahren wir zugleich das Wesen der Nähe. Das Ding dingt. Dingend verweilt es Erde und Himmel, die Göttlichen und die Sterblichen. Verweilend bringt das Ding die Vier in ihren Fernen einander nahe. Dieses Nahebringen ist das Nähern. Nähern ist das Wesen der Nähe. Nähe nähert das Ferne und zwar als das Ferne. Nähe wahrt die Ferne. Ferne wahrend west die Nähe in ihrem Nähern. Solchermaßen nähernd, verbirgt die Nähe sich selber und bleibt nach ihrer Weise am nächsten.

Das Ding ist nicht »in« der Nähe, als sei diese ein Behälter. Nähe waltet im Nähern als das Dingen des Dinges.

Dingend verweilt das Ding die einigen Vier, Erde und Himmel, die Göttlichen und die Sterblichen in der Einfalt ihres aus sich her einigen Gevierts.

Die Erde ist die bauend Tragende, die nähernd Fruchtende, hegend Gewässer und Gestein, Gewächs und Getier.

Sagen wir Erde, dann denken wir schon, falls wir denken, die anderen Drei mit aus der Einfalt des Gevierts.

Der Himmel ist der Sonnengang, der Mondlauf, der Glanz der Gestirne, die Zeiten des Jahres, Licht und Dämmer des Tages, Dunkel und Helle der Nacht, die Gunst und das Unwirtliche der Wetter, Wolkenzug und blauende Tiefe des Äthers.

Sagen wir Himmel, dann denken wir schon, falls wir denken, die anderen Drei mit aus der Einfalt der Vier.

Die Göttlichen sind die winkenden Boten der Gottheit. Aus dem verborgenen Walten dieser erscheint der Gott in sein Wesen, das ihn jedem Vergleich mit dem Anwesenden entzieht.

Nennen wir die Göttlichen, dann denken wir, falls wir denken, die anderen Drei mit aus der Einfalt der Vier.

Die Sterblichen sind die Menschen. Sie heißen die Sterblichen, weil sie sterben können. Sterben heißt: den Tod als Tod vermögen. Nur der Mensch stirbt. DasTier verendet. Es hat den Tod als Tod weder vor sich noch hinter sich. Der Tod ist der Schrein des Nichts, dessen nämlich, was in aller Hinsicht niemals etwas bloß Seiendes ist, was aber gleichwohl west, nämlich als das Sein selbst. Der Tod, als der Schrein des Nichts, birgt in sich das Wesende des Seins. Der Tod ist als der Schrein des Nichts das Gebirg des Seins. Die Sterblichen nennen wir jetzt die Sterblichen — nicht, weil ihr irdisches Leben endet, sondern weil sie den Tod als Tod vermögen. Die Sterblichen sind, die sie sind, als die Sterblichen, wesend im Gebirg des Seins. Sie sind das wesende Verhältnis zum Sein als Sein.

Die Metaphysik dagegen stellt den Menschen als animal, als Lebewesen vor. Auch wenn die ratio die animalitas durchwaltet, bleibt das Menschsein vom Leben und Erleben her bestimmt. Aus den vernünftigen Lebewesen müssen erst die Sterblichen werden.

Sagen wir: die Sterblichen, dann denken wir, falls wir denken, die anderen Drei mit aus der Einfalt der Vier.

Erde und Himmel, die Göttlichen und die Sterblichen gehören, von sich her einig, in die Einfalt des einigen Gevierts zusammen. Jedes der Vier spiegelt in seiner Weise das Wesen der übrigen wieder. Jedes spiegelt sich dabei nach seiner Weise in sein Eigenes innerhalb der Einfalt der Vier zurück. Dieses Spiegeln ist kein Darstellen eines Abbildes. Das Spiegeln ereignet, jedes der Vier lichtend, deren eigenes Wesen in die einfältige Vereignung zueinander. Nach dieser ereignend-lichtenden Weise spiegelnd spielt sich jedes der Vier jedem der übrigen zu. Das ereignende Spiegeln gibt jedes der Vier in sein Eigenes frei, bindet aber die Freien in die Einfalt ihres wesenhaften Zueinander.

Das ins Freie bindende Spiegeln ist das Spiel, das jedes der Vier jedem zutraut aus dem faltenden Halt der Vereignung. Keines der Vier versteift sich auf sein gesondertes Besonderes. Jedes der Vier ist innerhalb ihrer Vereignung vielmehr zu einem Eigenen enteignet. Dieses enteignende Vereignen ist Spiegel-Spiel des Gevierts. Aus ihm ist die Einfalt, der Vier getraut.

Wir nennen das ereignende Spiegel-Spiel der Einfalt von Erde und Himmel, Göttlichen und Sterblichen die Welt. Welt west, indem sie weitet. Dies sagt: Das Welten von Welt ist weder durch Anderes erklärbar, noch aus Anderem ergründbar. Dies Unmögliche liegt nicht daran, daß unser menschliches Denken zu solchem Erklären und Begründen unfähig ist. Vielmehr beruht das Unerklärbare und Unbegründbare des Weitens von Welt darin, daß so etwas wie Ursachen und Gründe dem Welten von Welt ungemäß bleiben. Sobald menschliches Erkennen hier ein Erklären verlangt, übersteigt es nicht etwa das Wesen von Welt, sondern es fällt unter das Wesen von Welt herab. Das menschliche Erklärenwollen langt überhaupt nicht in das Einfache der Einfalt des Weitens hin. Die einigen Vier sind in ihrem Wesen schon erstickt, wenn man sie nur als vereinzeltes Wirkliches vorstellt, das durcheinander begründet und auseinander erklärt werden soll.

Die Einheit des Gevierts ist die Vierung. Doch die Vierung macht sich keineswegs so, daß sie die Vier umfaßt und als dieses Umfassende erst nachträglich zu ihnen dazukommt. Die Vierung erschöpft sich ebensowenig darin, daß die Vier, nun einmal vorhanden, lediglich beieinander stehen.

Die Vierung west als das ereignende Spiegel-Spiel der einfältig einander Zugetrauten. Die Vierung west als das Welten von Welt. Das Spiegel-Spiel von Welt ist der Reigen des Ereignens. Deshalb umgreift der Reigen auch die Vier nicht erst wie ein Reif. Der Reigen ist der Ring, der ringt, indem er als das Spiegeln spielt. Ereignend lichtet er die Vier in den Glanz ihrer Einfalt. Erglänzend vereignet der Ring die Vier überallhin offen in das Rätsel ihres Wesens. Das gesammelte Wesen des also ringenden Spiegel-Spiels der Welt ist das Gering. Im Gering des spiegelnd-spielenden Rings schmiegen sich die Vier in ihr einiges und dennoch je eigenes Wesen. Also schmiegsam fügen sie fügsam weitend die Welt.

Schmiegsam, schmiedbar, geschmeidig, fügsam, leicht heißt in unserer alten deutschen Sprache »ring« und »gering«. Das Spiegel-Spiel der weitenden Welt entringt als das (Joring des Ringes die einigen Vier in das eigene Fügsame, das Ringe ihres Wesens. Aus dem Spiegel-Spiel des Gerings des Ringen ereignet sich das Dingen des Dinges.

Das Ding verweilt das Geviert. Das Ding dingt Welt. .Jedes Ding verweilt das Geviert in ein je Weiliges von Einfalt der Welt.

Wenn wir das Ding in seinem Dingen aus der weitenden Welt wesen lassen, denken wir an das Ding als das Ding. Dergestalt andenkend lassen wir uns vom weitenden Wesen des Dinges angehen. So denkend sind wir vom Ding als dem Ding betroffen. Wir sind die im strengen Sinne des Wortes Be-Dingten. Wir haben die Anmaßung alles Unbedingten hinter uns gelassen.

Denken wir das Ding als Ding, dann schonen wir das Wesen des Dinges in den Bereich, aus dem es west. Dingen ist Nähern von Welt. Nähern ist das Wesen der Nähe. Insofern wir das Ding als das Ding schonen, bewohnen wir die Nähe. Das Nähern der Nähe ist die eigentliche und die einzige Dimension des Spiegel- Spiels der Welt.

Das Ausbleiben der Nähe bei allem Beseitigen der Entfernungen hat das Abstandlose zur Herrschaft gebracht. Im Ausbleiben der Nähe bleibt das Ding in dem gesagten Sinne als Ding vernichtet. Wann aber und wie sind Dinge als Dinge? So fragen wir inmitten der Herrschaft des Abstandlosen.

Wann und wie kommen Dinge als Dinge? Sie kommen nicht durch die Machenschaften des Menschen. Sie kommen aber auch nicht ohne die Wachsamkeit der Sterblichen. Der erste Schritt zu solcher Wachsamkeit ist der Schritt zurück aus dem nur vorstellenden, d. h. erklärenden Denken in das andenkende Denken.

Der Schritt zurück von einem Denken in das andere ist freilich kein bloßer Wechsel der Einstellung. Dergleichen kann er schon deshalb nie sein, weil alle Einstellungen samt den Weisen ihres Wechselns in den Bezirk des vorstellenden Denkens verhaftet bleiben. Der Schritt zurück verläßt dagegen überhaupt den Bezirk des bloßen Sicheinstellens. Der Schritt zurück nimmt seinen Aufenthalt in einem Entsprechen, das, im Weltwesen von diesem angesprochen, innerhalb seiner ihm antwortet. Für die Ankunft des Dinges als Ding vermag ein bloßer Wechsel der Einstellung nichts, wie denn überhaupt all das, was jetzt als Gegenstand im Abstandlosen steht, sich niemals zu Dingen lediglich umstellen läßt. Nie auch kommen Dinge als Dinge dadurch, daß wir vor den Gegenständen nur ausweichen und vormalige alte Gegenstände er innern, die vielleicht einmal unterwegs waren, Dinge zu werden und gar als Dinge anzuwesen.

Was Ding wird, ereignet sich aus dem Gering des Spiegel- Spiels der Welt. Erst wenn, jäh vermutlich, Welt als Welt weitet, erglänzt der Ring, dem sich das Gering von Erde und Himmel, Göttlichen und Sterblichen in das Ringe seiner Einfalt entringt.

Diesem Geringen gemäß ist das Dingen selbst gering und das je weilige Ding ring, unscheinbar fügsam seinem Wesen. Ring ist das Ding: der Krug und die Bank, der Steg und der Pflug. Ding ist aber auch nach seiner Weise der Baum und der Teich, der Bach und der Berg. Dinge sind, je weilig in ihrer Weise dingend, Reiher und Reh, Pferd und Stier. Dinge sind, je weilig nach ihrer Weise dingend, Spiegel und Spange, Buch und Bild, Krone und Kreuz.

Ring und gering aber sind die Dinge auch in der Zahl, gemessen an der Unzahl der überall gleich giltigen Gegenstände, gemessen am Unmaß des Massenhaften des Menschen als eines Lebewesens.

Erst die Menschen als die Sterblichen erwohnen Welt als Welt. Nur was aus Welt gering, wird einmal Ding.

Anhang

Zum Ding-Vortrag (für Zusammenhang)

Bei Ding und Welt auf den Unter-Schied verweisen. Vgl. Reisner-Brief.3

Von diesem Unter schied auf die Differenz zurück. Von dieser auf die Vergessenheit des Seyns. Wie diese zu denken? (’A-λήθεια,). Bleibt auch eine Vergessenheit — nur gewandelt nach der Kehre; ereignet sich dann gar die eigentliche Verbergung und Bergung aus dem Ratsal selbst?

Das Ver-Hältnis für Welt zu Ding und Ding aus Welt; das Ver-Hältnis ereignet im Er-Eignis.

Ding hier zu Welt-, Welt / wer-alt [ahd.]. Hinweis auf die Differenz. Nicht ein Wort von einer anderen Bedeutung, sondern eine andere Sache.

Nach-holendes Denken ist das Andenken; nach-holen — in die Nähe holen.

Der Unter-schied

Aus ihm als der Fuge der Seyns — alle Fügung der Sage — alle Strenge der Fügung.

Ding

Wie alles anwest. — Anwesen — elvai. Wie jegliches »ist«? Wie es mit diesem »es ist« steht?

Dingen die Dinge? Sind Dinge als Dinge? — oder sind sie nur als Gegenstände? Und die Gegenstände — wie stehen sie? Welches ist die Art ihres Standes und ihrer Ständigkeit? — als Bestand?

Die Dinge sind vergangen, weggegangen — wohin? Was an ihre Stelle — gestellt?

Die Dinge sind als lange vergangene und gleichwohl sind sie noch nie als Dinge gewesen.

Als Dinge — ihr Dingwesen ist noch niemals eigens ans Licht gelangt und verwahrt worden.

Das Entsetzende bekundet und verbirgt sich in der Weise, wie am Naheliegenden Nähe ausbleibt. Was heißt dies? Es heißt: das Ding dingt nicht; das Ding west nicht an als Ding.

Welt weitet nicht. Ding / Welt ereignet sich nicht; das Ereignis verweigert sich. Der Unter-schied bleibt vergessen; die Vergessenheit west!

Dingen ist nicht als Wesen des Dinges gelichtet und als gelichtet gewahrt. Auch Fernabliegendes west an — nur für uns vielleicht, weil Dasein. Aber nicht Weg zu ihm; ist etwas als es selbst in seinem verhüllten [?] Anwesen.

Das Naheliegende darf wohl das Anwesende in einem betonten Sinne heißen.

Am Naheliegenden bleibt Nähe aus. Am Anwesenden entzieht sich das Anwesen. Weil es sich entzieht und entzogen hat, treffen wir nie darauf, — wenigstens nicht bei der Art, wie wir etwas anzutreffen gewohnt sind — im Vor-stellen.

Naheliegend ist das, was wir die Dinge nennen. — Was ist es — ein Ding?

Footnotes

  1. Nachtrag zu Manuskriptseite 9:

    Wie faßt die Leere des Kruges? Sie nimmt das Eingegossene auf, um es für das Ausgießen zu verwahren. Die Leere nimmt und gibt den Guß solchen Gießens. Der Guß und seine Art prägt die Leere des Kruges. Der Guß bestimmt das Krughafte des Kruges. Das Eigentliche des Gusses ist jedoch das Ausgießen. Es bringt den Guß entweder in ein anderes, das Trinkgefäß, oder der Guß kann im Ausgießen des Kruges unmittelbar getrunken werden. Der Guß des Kruges ist Trunk. Jeder Trunk aus dem Krug ist Guß. Aber nicht jeder Guß des Kruges ist Trunk. Das gilt gerade vom eigentlichen Guß, der im Ausgießen zwar verschwendet, aber nicht getrunken wird.
    Auch der leere Krug bleibt vom Guß her und auf diesen zu bestimmt. Der Guß kann ein Trunk sein, insofern er ein Guß Wasser oder Wein ist.

  2. am ehesten

  3. Meister Eckhart, Predigt LI. In: Deutsche Mystiker des vierzehnten Jahrhunderts. Herausgegeben von Franz Pfeiffer. Band II, Meister Eckhart. Leipzig 1857. S. 169. 2

  4. a. a. O., Predigt XLII, S. 141.

  5. Vgl. sinngem. a. a. O., Predigt LXIII, S. 199, und Predigt XX, S. 86.